28.09.2019

Human (2019)

„HUMAN“ – menschlich, nennt Isgaard schlicht ihr 8. Album, das sie gemeinsam mit ihrem Lebens- und Musikpartner Jens Lueck aufgenommen hat, und deutet damit das umfassende Thema eines großartigen Konzeptalbums an.

„Wir leben in bewegten Zeiten, die das Album maßgeblich beeinflusst haben, vor allem, wenn man sich die Zerbrechlichkeit des Menschen und unseres Planeten vor Augen führt“, erklärt die Künstlerin. Im Mittelpunkt der zehn Songs steht die Auseinandersetzung mit dem Menschen in all seiner Zwiespältigkeit. So thematisiert „BLACK SWAN“ die Ausgrenzung von Andersartigkeit, „FROZEN HEARTS“ erzählt von einer durch den Krieg in Syrien traumatisierten Generation oder „YOUR WORLD IS BROKEN“ von den Narben einer „zerbrochenen“ Kindheit. „Wir sitzen immer wieder zusammen und diskutieren über das, was die Menschheit ausmacht. All die Kreativität, Mitmenschlichkeit, Empathie, Hilfsbereitschaft auf der einen Seite, dann wiederum der Zerstörungswille, Egoismus, die Ignoranz und Kleingeistigkeit auf der anderen Seite! Das musste einfach ausgedrückt werden, genauso wie die Auseinandersetzung mit Vergänglichkeit in dem Song „SEE THE LEAVES FALLING“ oder in „I COULDN´T SAY GOODBYE, der einem verstorbenen Freund gewidmet wurde.“

Musikalisch ist das Album facettenreich spannend, immer konsequent und geprägt von einer breiten Palette an Stimmfarben, die Isgaard von Album zu Album erweitert. Elektronik trifft auf Streicher (es wurden komplette Orchester mit echten Streichern im Overdub-Verfahren aufgenommen), ungewöhnliche Samples stehen markanten Gitarren und eigenständigen Piano-Passagen gegenüber. Und die dynamischen Songstrukturen nehmen den Hörer mit auf eine emotionale Reise.

Eine besondere Stellung auf dem Album nimmt der von Art- und Progressive-Rock beeinflusste Dreiteiler „BORDERS“ (fast 17min. lang) ein, der wohl am weitesten von Isgaards bisheriger Linie abweicht. In dem Dreiteiler geht es um die Konsequenzen von innerer und äußerer Abschottung. In einer Welt, die so hoch technisiert ist und in der alles miteinander zusammenhängt, können Problemlösungen oder Entwicklungsschritte nur dann erreicht werden, wenn man Grenzen überwindet. Im ersten Teil „AWAKENING“ wird die ungehinderte Ausbreitung des Homo Sapiens von Afrika aus über den ganzen Globus beschrieben. Teil 2 „FRACTIONING“ erzählt von der Blockbildung und Abschottung, initiiert durch Angst und übertriebenes Konkurrenzdenken. Und schließlich zeigt Teil 3 „IN THE CAGE“ eine Welt, die von Überwachung und Mauern geprägt einem Käfig gleicht. Gerade in Teil 2 und 3 kommt das Gitarrenspiel von Jan Petersen, einem langjährigen musikalischen Weggefährten (ex-Sylvan), hervorragend zur Geltung.

Line Up:
Isgaard – Vocals
Jens Lueck – Drums, Keyboards, Programming, Percussion, Vocals, additional Guitars
Jan Petersen – Electric Guitars
Klaus Volland – Acoustic Guitars
Katja Flintsch – Violin, Viola
Annika Stolze _ Violoncello
Volker Kuinke – Recorder (Flute)
Ekiss Giloc – Bass


ÜBER DAS ARTWORK
HUMAN ist als Ambigramm (von oben/unten bzw. vorwärts/rückwärts gleichermaßen zu lesen) angelegt. Das symbolisiert die beiden Seiten des menschlichen Wesens (gut/böse, weiblich/männlich, usw.). Egal, von wo man sich nähert: erst in der Mitte ist alles ausgewogen/ausbalanciert.
Zudem ist der ganze HUMAN-Schriftzug mit Raute als Fraktal angelegt. Das bedeutet, dass in jedem einzelnen Menschen schon die Information/der Kern/das Wesentliche für die ganze Menschheit angelegt ist.


ÜBER DIE SONGTEXTE
SEE THE LEAVES FALLING
ist ein Song über Vergänglichkeit (auch die eigene) und Abschiedsschmerz - Gefühle, auf die man sich schwer vorbereiten kann. Wenn man mit einem solchen Ereignis konfrontiert ist und etwas unwiderruflich zu Ende ist oder vielleicht sogar ein geliebter Mensch „gegangen“ ist, birgt das immer noch eine Unvorstellbarkeit, die einen im Innersten erschüttert.

I COULDN' T SAY GOODBYE ist unserem Freund Dieter Koch (er hat auf dem Album WHITEOUT Akustikgitarre gespielt) gewidmet, der im Dezember 2018 an Krebs gestorben ist.

THE SUN COMES UP TOMMOROW beschreibt die Gefühle eines Menschen, der auf der Straße lebt und alle Bindungen hinter sich gelassen hat. Angekommen in einer Situation, wo alles auf das Minimum reduziert ist, entwickelt er trotzdem eine gewisse Zuversicht.

BLACK SWAN thematisiert Ausgrenzung von Andersartigkeit aus der Sicht einer betroffenen Person, die sich zu Beginn ihres anders-Seins nicht bewusst ist und offen und aufgeschlossen in die Welt hinausgeht. Schmerzliche Erfahrungen wie unverstanden- und sogar unerwünscht-Sein führen dazu, dass sie nur noch eine Forderung an die Gesellschaft hat: Lasst mich einfach in Ruhe!

YOUR WORLD IS BROKEN beschreibt die Isolation von Menschen, die in ihrer Kindheit Schlimmes erfahren haben und diese seelischen Narben durch das ganze Leben tragen, häufig unfähig sich zu öffnen und darüber zu sprechen.

A BILLION SOULS AND STILL ALONE greift den Gedanken der Unüberwindbarkeit der Grenzen zwischen zwei Individuen auf. Wie nahe man sich auch kommt, alles bleibt mittelbar und man sieht nicht mit den Augen des Anderen, hört nicht mit seinen Ohren, fühlt nicht wie er.

FROZEN HEARTS ist in Kriegsgebieten (im Speziellen Syrien) aufwachsenden Kindern und Jugendlichen gewidmet, denen alles genommen wird und die Schreckliches erleiden müssen. Dort wächst eine komplett traumatisierte Generation heran.

BORDERS wirft die Frage auf, ob Grenzen und Abschottung der Menschheit helfen, oder vielleicht eher einen Ausdruck von Angst und Abgrenzung darstellen. Angesichts der Tatsache, dass der Homo Sapiens als eine einzige Spezies in Afrika entstanden ist und sich von dort über den ganzen Erdball verteilt hat, muss man zumindest feststellen, dass wir alle den selben Ursprung haben. Heute bewegen wir uns teilweise wie technisierte Sklaven unserer Smartphones in kleinen, abgeschotteten Systemen und wissen trotz einer Masse an zugänglichen Informationen immer weniger über unsere (Um-) Welt. Aber: In einer Welt, die so hoch technisiert ist und in der alles miteinander zusammenhängt, können Problemlösungen oder Entwicklungsschritte nur dann erreicht werden, wenn man Grenzen überwindet. Bestes Beispiel ist der Kampf gegen den Klimawandel, der nur gelingen kann, wenn sich global etwas entwickelt. Im ersten Teil von BORDERS (AWAKENING) wird die ungehinderte Ausbreitung des Menschen (von Afrika aus über den ganzen Globus) beschrieben. Teil 2 (FRACTIONING) beschreibt die Blockbildung und Abschottung initiiert durch Angst und übertriebenes Konkurrenzdenken, um im letzten Teil (IN THE CAGE) eine Welt zu prognostizieren, die, geprägt von Überwachung und Mauern schon fast einem Käfig gleicht.